Gegen das Vergessen

Thomas Thois, Trostberger Tagblatt

Gedenkspaziergang am 4. November zum Jahrestag der Errichtung des KZ-Außenlagers Trostberg

Trostberg. Angeheizt von der Gewalt-Eskalation in Nahost und populistischer Stimmungsmache vom politischen rechten Rand verschärft sich die antisemitische Bedrohungslage in Deutschland – einem Land, das mit dem Holocaust eines der entsetzlichsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte begangen hat. Umso wichtiger ist es, die Erinnerung an das Geschehene wach zu halten und Rassismus entschieden entgegenzutreten – auch in Trostberg, wo sich währen des Zweiten Weltkriegs eines der 152 Außenlager des Konzentrationslagers Dachau befand.

Vor diesem Hintergrund lädt der neu gegründete „Arbeitskreis Erinnerungskultur“ unter dem Motto „Gegen das Vergessen“ am Samstag, 4. November, zu einem Gedenkspaziergang anlässlich des 79. Jahrestages der Errichtung des KZ-Außenlagers im November 1944 ein.

Vom Parkplatz an der evangelischen Kirche führt die rund einen Kilometer lange Strecke über die Dr.-Albert-Frank-Straße hinter das Chemieparkgelände, wo sich der Bestandteil des nationalsozialistischen Lagersystems befand.

In der Außenstelle des Konzentrationslagers Dachau waren Häftlinge unter katastrophalen Bedingungen als entmenschlichtes Produktionskapital für die Rüstungsindustrie inhaftiert. Die Stadt erinnert an dieses dunkle Kapitel mit einem Gedenkstein und einer Infotafel am Friedhof. Am Ort des Geschehens selbst gibt es keine Spuren des Gedenkens.

„Umso mehr wollen wir die Tatsache, dass auch in unserer nächsten Umgebung Menschen im NS-Lagersystem gequält und getötet wurden, in Erinnerung halten“, heißt es in der Einladung des Arbeitskreises.

„Arbeitskreis Erinnerungskultur“ plant weitere Aktionen

Umfangreich zum Trostberger Außenlager geforscht hat – wie berichtet – die Historikerin Susanne Weiße aus Kienberg. Unter andrem widmete sie ihre Diplomarbeit im Studiengang Geschichte an der Universität Wien diesem Thema. Unter www.kz-aussenla-ger-trostberg.de hat sie eine virtuelle Gedenkstätte eingerichtet – um diesen „Ort des Terrors, der für sieben Häftlinge den Tod und für mehr als 1000 Menschen monatelang Hunger, Krankheit, Versklavung, Unterdrückung, Entwürdigung und Misshandlung bedeutete, der Vergessenheit zu entreißen“.

Der Gedenkspaziergang soll der Auftakt für weitere Beiträge zu einer gelingenden Erinnerungskultur sein, was die Verbrechen des NS-Regimes in und um Trostberg angeht, sagt Arbeitskreis-Sprecher Gerhard Größ aus St. Wolfgang bei Altenmarkt. In Zukunft seien Infoveranstaltungen und weitere Aktionen geplant. Man wolle die Vernetzung mit Schulen vorantreiben und die Debatte über eine stationäre KZ-Außenlager-Gedenkstelle in zentralerer Lage als die jetzige am Friedhof anstoßen.

„Jetzt muss man zeigen, was mit ,Nie wieder!‘ gemeint ist“

„Wir wollen dazu beitragen, dass die schreckliche Geschichte der NS-Diktatur nicht vergessen wird“, erklärt Größ. „Darum ist es mir wichtig, die Orte in meiner Umgebung zu zeigen, an denen die Verbrechen stattgefunden haben. Und zwar gerade jetzt.“ Denn er habe das Gefühl, dass autoritäres Denken in Deutschland, in Europa und in der ganzen westlichen Welt immer stärker werde. „Jetzt muss man zeigen, was mit ,Nie wieder!‘ gemeint ist.“

Seine Arbeitskreis-Mitstreiterin Susanne Gmeindl schildert ihre Motivation so: „Ich wusste nichts über das Außenlager, obwohl ich in Altenmarkt aufgewachsen bin und mein Opa 45 Jahre in der SKW gearbeitet hat. Das ist für mich ein Grund, warum ich mich am Gedenkspaziergang beteiligen werde.“

Der Ablauf

Die Gedenkveranstaltung am Samstag, 4. November, die auch von der Arbeiterwohlfahrt Trostberg unterstützt wird, beginnt um 14 Uhr mit der Begrüßung am Parkplatz der evangelischen Kirche. Von etwa 14.20 bis 14.50 Uhr ist der Gedenkspaziergang geplant. Für Menschen mit Gehbehinderung wird ein Shuttle-Service angeboten. Gegen 15 Uhr folgen am Lagerstandort ein namentliches Gedenken an die Opfer und ein Redebeitrag von Friedbert Mühldorfer von der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ (VVN-BDA). Weil an dem teilweise abgetragenen oder mit Schrebergärten überbauten Areal nichts mehr an die Verbrechen erinnert, will man versuchen, sich anhand von historischen Bildern und noch vorhandenen Geländemarken ein Bild von dem KZ-Außenlager zu machen. Anschließend treffen sich alle Interessierten im Stadtkino Trostberg, um weitere Möglichkeiten des zukünftigen Erinnerns zu erörtern.
 

Von den 1048 Häftlingen fanden sieben den Tod

Nach aktuellem Stand der Forschungen von Historikerin Susanne Weiße wurde das KZ-Außenlager Trostberg am 3. November 1944 durch ein 20-köpfiges Vorkommando von KZ-Häftlingen errichtet und einen Tag später mit mehreren hundert Häftlingen belegt. Die Höchstbelegung wurde im Januar 1945 gemeldet und lag bei 951 Gefangenen. Insgesamt durchliefen 1048 namentlich bekannte Häftlinge das Außenlager Trostberg – knapp 70 Prozent waren Bürger osteuropäischer Staaten oder der UdSSR.

Sieben Häftlinge starben infolge mangelnder Ernährung, harter Arbeit, nicht vorhandener medizinischer Versorgung und Misshandlungen. Mindestens 121 wurden, durch Krankheit geschwächt, zurück ins Stammlager Dachau geschickt. Ihr weiteres Schicksal ist unbekannt.

Neben der Fertigung eines BMW-Motors für Bomber- und Jägerflugzeuge der deutschen Luftwaffe in einer Halle der benachbarten SKW ließ auch der Trostberger Chemiebetrieb die Häftlinge für eigene Zwecke arbeiten. Der Stadt Trostberg mussten die Gefangenen beim Bau eines Luftschutzstollens in

der Altstadt helfen. Durch die exponierte Lage auf einer Anhöhe war das Lager mit den Wachtürmen von vielen Punkten der damals etwa 4000 Einwohner zählenden Stadt gut sichtbar. Auch wenn das Gelände selbst abgeriegelt und es der Bevölkerung verboten war, nahe an das Areal heranzukommen, gab es viele Berührungspunkte zwischen Zivilbevölkerung und Häftlingen.

Ab März 1945 wurde das KZ-Außenlager teilevakuiert. Die verbliebenen 300 Häftlinge wurden am 4. Mai 1945 von Soldaten der US-Armee befreit. – tt