Unangenehme Geschichte wird gerne ausgeklammert

Leon Buchwald, DIE LINKE. Traunstein.BGL

Traunstein (lb) In einer zeitgeschichtliche Führung betrachtete DIE LINKE. Traunstein.BGL die unbekannteren Kapitel der Traunsteiner Geschichte – ergänzt wurde die Historie durch aktuelle Berichte von Denis Holl (Landtagskandidat) und Manuela Pertl (Bezirkstagskandidatin) über die politische Arbeit in Stadtrat und Kreistag, sowie durch Adelheid Rupp, die Spitzenkandidatin der bayerischen LINKEN für die Landtagswahl..

„Wie links ist Traunstein?“ - Diese Frage zu beantworten führte DIE LINKE. Traunstein.BGL am vergangenen Mittwoch eine Gruppe Interessierter durch die Geschichte der Stadt.
Als Startpunkt wurde der Maxplatz, ehemals Horst-Wessel-Platz, gewählt um an den Akt des kirchlichen Widerstands vom damaligen Stadtpfarrer Josef Stelzle gegen die Nationalsozialisten zu erinnern. Schon hier wurde deutlich, dass Traunstein eine weitreichende NS-Vergangenheit hat, aber ebenso auf kritische Gegenstimmen in dieser Zeit zurückblicken kann.
„Es ist eine Schande, wie wenig die eigene Vergangenheit – gerade in Traunsteins Schulen – thematisiert wird.“, findet Leon Buchwald.
Mit Blick auf die älteste Apotheke des Chiemgaus geriet hier das Thema Gesundheitsversorgung in den Fokus. „Die Notfallversorgung ist aktuell nicht mehr flächendeckend gesichert.“, ermahnt Manuela Pertl im Hinblick auf die vermehrte Schließung der Notaufnahmen im Landkreis. „Krankenhäuser müssen gesund machen, keinen Gewinn!“

In der Ludwigstraße setzte sich die Führung fort. Hier befand sich der Gasthof zum Löwen, welcher bis 1933 auch die Gewerkschaften beherbergte. Das heutige Kulturforum, direkt gegenüber, diente während des Zweiten Weltkriegs als SS-Lazarett und war Verwaltungssitz der örtlichen Hitlerjugend. Selbst die Stadtmarketing Traunstein GmbH spart die NS-Geschichte auf der Website des Kulturforums komplett aus. „Unangenehme Geschichte wird gerne ausgeklammert.“, kommentierte Rudolf Kreuzeder (Landtagskandidat DIE LINKE im Lkr. BGL).
Der Themenbereich Kulturförderung bot sich an diesem Ort geradezu an. Denis Holl kritisiert hierbei das Vorgehen der Stadt Traunstein: „Es wird nur gefördert, was schon etabliert ist.“ und verwies damit auf einzel- und selbstständige Kulturschaffende, die selbst während der Corona-Pandemie keine Finanzhilfen erhalten haben.

Im Stadtpark angekommen betrachteten die Teilnehmenden die Denkmäler für die Gefallenen vergangener Kriege. Erst 1994 war hier ein Gedenkstein für die Opfer des Nationalsozialismus errichtet worden. Dort wurde auf die exemplarische Geschichte der damals gut integrierten jüdischen Viehhändlersfamilie Holzer verwiesen. Ebenso wie Rosa Mosbauer, deren Anwesen in der Sonnenstraße 3 (derzeit Ludwig-Thoma-Straße) zwangsweise an den Landrat verkauft wurde, war die Familie Holzer vom antisemitischen Hass in der Pogromnacht überrascht worden. Für Rosa Mosbauer, die sich aus Angst vor einer Deportation 1942 im Tüttensee ertränkte, sollte im Frühjahr 2023 eine Gedenkplakette am Gebäudeteil B des Landratsamtes installiert werden.

Beim Gang durch die Marienstraße in Richtung Stadtplatz wurde das Thema Leerstand bereits mehr als offensichtlich. „Gerade in Zeiten der horrenden Mieten, ist ein derart kalkulierter Leerstand ein Schlag ins Gesicht aller, die sich das Wohnen kaum noch leisten können.“, so Denis Holl. „Wenn der Lohn die halbe Miete ist, dann läuft etwas falsch.“, bringt Spitzenkandidatin Adelheid Rupp die Entwicklung auf einen Punkt.

Der Stadtplatz (damals Hindenburgplatz) war auch in der NS-Zeit der zentrale Kundgebungsplatz in Traunstein. Das Rathaus erlebte so manchen Wandel: War die Politik lange Zeit durch die Bayerische Volkspartei dominiert, wurde nach der Revolution 1918 vom Arbeiter- und Soldatenrat kurzzeitig die Rote Fahne gehisst. Mit der Machtübernahme am 9. März 1933 hissten die Nazis die Hakenkreuzfahne am Rathaus – bald darauf folgte die Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Adolf Hitler und die damit verbundene Umbenennung der Rosenheimer Straße.

Am Karl-Theodor-Platz endete der kurze Exkurs durch Traunstein mit „linker“ Geschichte – dem wohl bekanntesten Widerstandskämpfer der Stadt – Hans Braxenthaler. Der ehemalige KPD-Stadtrat und weithin bekannte Redner hatte sich 1937 vor einer erneuten Verhaftung und Deportation am Hochberg in einem Heustadel versteckt. Dort wurde er am 7. August 1937 von einem Polizeiaufgebot entdeckt, woraufhin er sich das Leben nahm um den Qualen des Konzentrationslagers zu entgehen.

Aufgrund der räumlichen Nähe, wurden in diesem Zuge auch die Zustände der Traunsteiner Notunterkunft kritisiert. „Die Stadtverwaltung – wie auch 90% der Traunsteiner Stadträte – sehen Obdachlosigkeit als rein ordnungsrechtliches Problem. Eine zusätzliche sozialpädagogische Unterstützung der Bürger:innen, die hier untergebracht werden? Fehlanzeige!“, analysiert Denis Holl. „Es ist ein Armutszeugnis für eine so reiche Stadt wie Traunstein, dass kein Geld für eine menschenwürdige Unterkunft in die Hand genommen wird.“, subsumiert Manuela Pertl.